4. September bis 16. Oktober 2010 

Verfolgt ein Spieler beim Billard die Methode, über Bande zu spielen, sucht er den indirekten Weg zum Ziel. Er initiiert mithilfe seines Queues einen oder mehrere Kontakte der weißen Kugel mit der Abgrenzung des Spielfeldes, bevor sie – im Idealfall – schlussendlich jener Kugel den nötigen Schub verleiht, die eingelocht werden soll. Die Abläufe auf dem Billardtisch vor das geistige Auge projiziert, evozieren eine Idee jener formalen Elemente, die für Shila Khatamis Malerei charakteristisch sind: Linien, Winkel, Kreise, Diagonalen …

Allerdings handelt es sich dabei eben lediglich um den vordergründigen Eindruck.

„Über Bande“ heißt Shila Khatamis zweite Einzelausstellung in der Galerie Clages. Und nicht das erste Mal wagt die Künstlerin mit dem Titel einen Bogen auf disziplinfremdes Terrain zu schlagen. Bereits mit „Ping Pong“ (Clages, 2008) und „Topspin“ (Galerie Susanna Kulli, 2010) griff sie zur Betitelung ihrer Ausstellungen auf das Vokabular des Sports zurück. Die 1976 in Saarbrücken geborene Künstlerin orientiert sich demnach nicht nur formal außerhalb des Kunstkontextes, sondern sucht dort auch inhaltlich Bezüge.

Khatamis Kunst ist unparteiisch. Es geht weder ausschließlich darum, strenge, geometrische Formen einzuhalten, noch darum, die Geste in den Vordergrund zu stellen. Beides unterliegt einem dialogischen Prinzip, was ihre aktuelle Ausstellung abermals deutlich macht: Quer durch den Raum gespannt, in einem rechten Winkel endend, hängen für Khatamis Kunst typische, immer wieder als Bildträger genutzte perforierte Hartfaserplatten.

Scheinbar improvisatorisch sind die einzelnen Module 60 Zentimeter über dem Boden mithilfe von Nylonfäden an einem Kupferrohr befestigt und geben nur spartanisch und fragmentarisch den Blick auf dahinter befindliches frei. Dabei bringen die Besucher der Ausstellung die Module der Skulptur in Bewegung. Die starre Diagonale des Ganzen wird gebrochen. Eine mit ausgestrecktem Arm gezogene, tropfende Linie instabilisiert auf einer weiteren Ebene die – durch die gleichmäßige Rasterung der Lochplatten – vorgegebene Geometrie. Die Arbeit bestimmt die Raumführung und verweist auf die Hängung der Malereien.

Khatami bedient sich hier wie dort einer malerischen Sprache, die jeder zu kennen glaubt. Über eine kunstfremde Form- und Farbfindung und die einzelnen Titel wird ihren Werken jedoch ein narratives Element hinzugefügt, das von Alltagsbeobachtungen geprägt ist. Wie beim Billard die umgelenkte Kugel „über Bande“ nicht pragmatisch einen direkten Weg verfolgt, gelingt der Künstlerin so „diese Durchlässigkeit zwischen autonomer Bildsprache und permanenter Welthaltigkeit“. (Konrad Bitterli)

Britta Rübsam