April 8 – May 17, 2014
Pitstop II – Der Titel der aktuellen Einzelausstellung von Shila Khatami ist einem C64-Computerspiel aus den 1980er Jahren entlehnt. Dabei bedient sie sich der Metaphorik des Autorennens selbst, vor allem aber der Motivik, die dieses verwendet. Ausgehend von der Utopie der Konstruktivisten greift Shila Khatami deren Formenvokabular in der heutigen Gesellschaft auf und verfolgt, in welchen Kontexten es anzutreffen ist. Die Kontexte könnten unterschiedlicher nicht sein. Sie begegnet diesem Formenvokabular in einem Computerspiel, das das perspektivisch verzogene Raster als ein Schnelligkeit simulierendes Element verwendet, auf Piktogrammen oder in Zielscheiben. Sie greift diese der modernen Malerei entstammenden Formen aus der Umwelt heraus, um sie dann wieder in die Malerei zurückzuführen. In sämtlichen Arbeiten spielt der malerische Akt mit der Aussagekraft der jeweiligen Symbole. Er hebt sie einerseits hervor, um sie andererseits wieder im Pinselduktus aufzulösen. Auf diese Weise wird die Bedeutung des Zeichens entfremdet und dennoch subtil beibehalten.
Das Raster, als Grundelement der Malerei wird in „Pitstop II“ aufgegriffen – einer Arbeit, die zwischen Skulptur und Malerei changiert. Die sich auf die Bewegung einer schwarz-weißen Zielflagge berufende Arbeit, erinnert zusätzlich an den Split-Screen des gleichnamigen Computerspiels. Den Ausstellungsraum dominierend nimmt sie in Form einer Bildschirmaufteilung nicht nur die Wand selbst, sondern ebenfalls Teile des Bodens ein, sodass sich eine dreidimensionale Wirkung ergibt. Sie suggeriert durch die Verlagerung des Fluchtpunkts, als würde man in sie hineingesogen werden. Diese Arbeit wird von Shila Khatamis „Young Targets“ umklammert, die sich der formalen und inhaltlichen Symbolik der Zielscheibe bedienen. Gleichzeitig werden Assoziationen zu den target paintings der Pop Art ausgelöst – in diesem Fall sind sie allerdings nicht rund, sondern rautenförmig. In ihrem bildanalytischen Vorgehen lotet Shila Khatami die Möglichkeiten des quadratischen Bildträgers aus. Sie spielt mit der Geometrie, indem sie durch einen subtilen Handgriff das Quadrat zur Raute werden lässt. In „Hochspannung“, im hinteren Raum der Galerie, benutzt Shila Khatami das Piktogramm Blitz. Das Zeichen für Hochspannung erscheint allerdings lediglich ausschnitthaft, die Farben werden umgekehrt.
Shila Khatami thematisiert in dieser Ausstellung typische Phänomene der heutigen Gesellschaft, wie Schnelligkeit, Zielgerichtetheit und Anspannung. Indem sie diese Formen in ihren neuen Erscheinungen und Zusammenhängen in die Malerei zurücküberführt, bleibt deren Bedeutung erhalten. Es zeigt sich, dass sie von der einfachen Form zu Zeichen avanciert sind, deren Bedeutung unweigerlich mit ihnen verbunden bleibt. In der bildanalytischen und malerischen Transformation dieser Symbole schafft es Shila Khatami, die Maxime unserer Gesellschaft aufzugreifen und gleichzeitig deren Brüchigkeit zu verbildlichen.
Sabine Schiffer