29. Oktober bis 11. Dezember 2010
„Ich bin dann mal weg!“ titelt das Surfermagazin „surf“ seine diesjährige Novemberausgabe. Beim oberflächlichen Blättern, schickt die Zeitschrift den Leser mental tatsächlich auf die Reise und suggeriert mit seitenfüllenden Fotografien die Existenz des Paradieses auf Erden.
Anstatt einer konzeptionellen oder kunsthistorischen Methodik, machen sich die Künstler Owen Gump, Michail Pirgelis und Bernhard Walter in ihrer ersten gemeinsamen Gruppenausstellung „IN SITU“ in der Galerie Clages eben jenen assoziativen Raum zu Nutze.
Bei der Betrachtung von Owen Gumps Fotografien wird der Gedanke an den Fund eines verloren geglaubten Paradieses erneut geweckt. Surfbrett, tropische Pflanzen und brandende Wellen machen den Betrachter glauben, der 1980 in Kalifornien geborene, in Köln lebende und arbeitende Künstler habe sich seiner Umwelt in situ – also vor Ort, im originalen Zustand und Umfeld der Dinge – angenommen. Die Fotografie bietet Gump ein Mittel den Konflikt zwischen Assoziation und Realität aufzuzeigen, denn seine Arbeiten entstanden allesamt nicht in Polynesien: Gumps Interesse am Pazifikraum ließ ihn im botanischen Garten, in ethnologischen Museen in Berlin oder in Vintage-Fotografien Elemente finden, die die Vorstellung von einem Ort vorgaukeln, der nicht konkret identifizierbar ist. Seine paradiesische Existenz beruht auf seinem, durch selektive Repräsentation, entstandenen Image, das jederzeit, allerorts reproduziert werden kann und sich damit ausschließlich in einem assoziativen Zwischenraum befindet.
Michail Pirgelis’ Kunst befasst sich mit der Entkontextualisierung von Flugzeugen: Sie unterzieht sich dem archäologischen Prozess des Suchens, Findens und Präparierens, von welchem der Begriff in situ ursprünglich stammt.
Die Teile werden aus ihrer ehemaligen Funktion und anfänglichen Beschaffenheit transformiert – ihre Oberfläche dermaßen bearbeitet, dass sie im reinen Silberglanz des Materials erstrahlt – und ex situ an die Wand gelehnt oder in den Raum gestellt. Die Arbeiten des 1976 in Essen geborenen Künstlers, der in Griechenland aufwuchs, vereinen temporär voneinander getrennte Prinzipien: Idee und Realisation, Vergangenheit und Zukunft. Auch hier kommt der assoziative Ansatz der Ausstellung zum Tragen, denn jedes von Pirgelis’ Kunstwerken ist ein pars pro toto, verweist auf das Ganze und lässt Gedankenreisen zu.
Zwischenraumformen, 2008 entstanden durch den Bearbeitungsprozess früherer Objekte, sind das Ausgangsmaterial, welches durch vorsichtige minimale Veränderungen zu einem kleinen imaginär erscheinenden Archipel sublimieren. Dieses ist träumerisch „Friedfertiges Inselreich“ – übersetzt: „Pacific Island Kingdom“ – benannt. Mit dieser verortenden Entsprechung fasst Bernhard Walter seine neuesten Installationen zusammen und nimmt mit der deutschen Version Bezug auf den Titel der früheren Arbeit. Die neuen Inselreiche jedoch suggerieren Gegenteiliges: Rotzig-frech gemusterte Stoffe wählte der 1966 in Landshut geborene und in Berlin lebende und arbeitende Künstler aus, um in Form und Proportion differierende Furnierholzplatten zu beziehen, die so logoästhetisch, informativ aufgeladen werden. „Hot“, „Center“, „Bond“, „Traffic“, so die schlagwortartigen Titel einiger Variationen der zehnteiligen Serie. In Verbindung mit „Island“ besteht erneut ein Spiel der Übersetzungen, subtil hinweisend auf gesellschaftliche Phänomene. Dieser oszillierende Effekt findet sich in den primitiven Camouflage- und Totenkopfmustern der westlichen Trash- und Modewelt wieder. Die Motive liegen fernab aller paradiesischer Vorstellung und lassen nichts desto trotz die Möglichkeit zum Träumen zu. In diesem Sinne: „Gute Reise!“
Britta Rübsam