11. Juni bis 25. Juli 2010
Verweigert Arbeit! Hasst euren Körper! Vergesst eure Eltern! Knapp formulierte Maximen einer Revolution. Aber welcher? Und wofür? Juan Pérez Agirregoikoa skizziert in seiner zweiten Einzelausstellung in der Galerie Clages eine sarkastische Studie über die Idee der Revolution. Ein Absperrzaun ist Träger von Aquarellen, die, politischen Bannern nachempfunden, Parolen des Dagegen formulieren.Mittelpunkt der Installation ist eine Abbildung des deutschen Fußballstars und Weltmeisters von 1974, Paul Breitner, idealisiert als Nummer 1. Breitners politische Ansichten waren seinerzeit vieldiskutiert: Eine berühmte Photographie zeigt ihn in der Geste eines Intellektuellen in einem Schaukelstuhl sitzend, dabei eine chinesisch-kommunistische Propagandazeitung lesend, zu seinen Füßen ein Hund. Breitner gab an, Marx und Lenin gelesen zu haben, bezeichnete sich als Maoist und wurde von der westdeutschen Presse ob seines gleichwohl luxuriösen Lebensstils verhöhnt. 1974 wechselte er zum spanischen Fußballverein Real Madrid, ausgerechnet Lieblingsverein des faschistischen Diktators Franco.
Dass letztlich nicht er, sondern sein eher unpolitischer Kollege Günther Netzer zum Fußballidol der 68er wurde verdankt sich wohl jenen Widersprüchlichkeiten. Dabei waren die Verbindungen zur westlichen Linken offenbar: Die chinesische Kulturrevolution (1966-1976) rief Wellen der Begeisterung hervor. Mao Zedong wurde als Anti-Autorität während der Studentenbewegung von den ersten Spontis zum Vorbild ernannt. Nach dem Scheitern der Studentenbewegung gründeten sich zahllose sogenannte K-Gruppen, die, orientiert an Theorien des Marxismus-Leninismus oder Maoismus, auch in Westeuropa eine Revolution durchführen wollten. Dass die vermeintlich friedliche Revolution unzählige Morde nach sich zog blieb ausgeblendet, der von Mao um sich selbst inszenierte Personenkult ebenso.Revolution in seiner ursprünglichen Bedeutung meint ein Zurückwälzen, die Umdrehung, das Wiederherstellen eines alten, legitimen Zustands. Aus dem Rückschwung wurde umgangssprachlich ein radikaler, oft gewalttätiger sozialer Wandel der bestehenden politischen oder gesellschaftlichen Verhältnisse. Agirregoikoa argumentiert im Sinne beider Definitionen, begreift Revolution im Sinne Jacques Lacans. Dieser erklärt 1969 seinen Studenten, dass sie in ihren revolutionären Bestrebungen stets nur einen neuen Meister suchen und bekommen. Dieser Kreislauf zieht sich als Thema durch Agirregoikas Werk und findet Ausdruck in den sprachlichen Formeln des Widerstands.
Friederike Gratz