Eine Ansammlung verschiedenster Objekte, mal greifbare Strukturen im Raum, mal Wandbehang oder nur flüchtiger Klang – das bietet der erste Blick in die gemeinsame Ausstellung von Claus Richter und Oliver Tepel. In dem irritierenden Moment jener im engen Regularium des White Cubes praktisch gefangen gehaltene Vielfalt einen roten Faden zu erkennen, hieße die Autonomie der Werke zu desavouieren. Jedoch sind solche „Team-Ausstellungen“ in der Praxis der Kunst der letzten 20 – 30 Jahre stets Statement, wie spielerisches Ausloten qualitativer Möglichkeiten.

Tatsächlich liefern die Titel jene Hinweise, die auf Gemeinsamkeiten in der so verspielten, wie reduzierten Sprache der Arbeiten weisen: „Read more Books“ ausgesprochen, gleich der Forderung eines Lehrers, führt doch auch zu dem, allen Arbeiten inhärenten, Moment des Sprachlichen. Michel Foucault sah in der Sprache eine autonome Struktur, die das sprechende (oder lesende) Subjekt in Grenzen hält. Zugleich beschreibt er die Sprache als Raum der Grenzerfahrung, dort an ihren Rändern, zu denen der literarische Surrealismus führt:

„Sie ist keine vom Licht durchzuckte Nacht, kein erleuchteter Schlaf und kein schlummernder Wachzustand. Sie ist die irreduzible Grenze zum Erwachen, sie zeigt an, dass im Augenblick des Sprechens die Worte bereits da sind, es vor dem Sprechen aber nichts gibt. Diesseits des Erwachens gibt es kein Wachsein. Aber sobald der Tag anbricht, liegt die Nacht vor uns, bereits in eigensinnige Kieselsteine zerborsten, aus denen wir und dann unseren Tag einrichten müssen.“(Michel Foucault – Raymond Roussell, S. 49)

So liest sich der zweite Titel „Tendre est la nuit“ fast als Antipode zu Foucaults Worten. Es sei, der Sprechende oder Lesende akzeptiert, was ihm die Sprache an Möglichkeiten bietet. Das Drama der Auswegslosigkeit, jenes stets wiederholte Bild der Gefangennahme, hier in den leeren (Müll-)Verpackungen oder sinnentleerten Wortsystemen der repetetiven Durchsagen angedeutet, kann ebenso als befreiende Struktur, ja als zärtlich (Tendre) empfunden werden. Es ist der Blickwinkel, welcher Mülltonnen zu abstrakten Skulpturen formt oder ihre triste Existenz in ein farbenfrohes Spektakel aus changierenden bunten Lichtern. Dies ist sicher nicht im Sinne einer stringenten philosophischen Exegese und widersteht keinem Close-Reading. Aber es wirft einen Blick auf eine fast spielerische Freiheit inmitten der Leere (oder entsetzlichen Fülle vorformatierter Begriffe).

Die Strategien der Aneignung und Aktualisierung, die den Umgang mit den Werken bestimmen, sind vielfältig: Die Werke lösen sich von ihren gewohnten Zuschreibungen und aus den bekannten Kontexten (etwa dem der High Art). Sie können so, performativ interpretiert oder beim Wort genommen, neue Variationen in den nur scheinbar engen Grenzen des White-Cubes ergeben. Eine Aussicht auf Möglichkeiten, eine Freiheit des Betrachters zu verweilen, teilzuhaben oder an den Rändern der Arbeiten der Theorie zu entsagen.