Drei graue Mülleimer, sie stinken nicht, selbst wenn sie durch und durch besudelt sind. Offenbar dienen sie ihrem Zweck schon länger, es sind deutliche Gebrauchsspuren zu erkennen. Ein forschender Blick durch die Lücke der leicht angewinkelt aufgesetzen Deckel findet aber nichts mehr, als das Spiel des von oben herab scheinenden Effektlichts im stillen Dunkel der Wellpapptonne.

Ein Versuch, den ab und an erklingenden Durchsagen, mal von einem Gong eingeleitet, mal kaum verständlich zwischen Störgeräuschen, einen Sinn zu entlocken, scheitert, sie verbleiben als leere Information.

Dieses scheinbar für einen Moment sinnbefreite Refugium aus Objekten und Tönen deutet aber nur auf die Macht der Vorstellung, der Erwartung, daß da etwas zu sein habe. So schreibt Roland Barthes in „die helle Kammer“: “Eines der Kennzeichen unserer Welt ist vielleicht diese Umkehrung: Unser Leben folgt einem verallgemeinertem Imaginären.“ – Es ist eine Art des Umhüllens der Phantasie, statt forschend-neugierig sezierend etwas offen zu legen, dient man lediglich den präformierten Erwartungen an die Dinge oder an ihre Verheißungen, etwa „der geheime Code“ oder „die Leere des Raumes“.

Ein Ausweg wäre nüchterne Akzeptanz und der daraus resultierende, dandyhafte Weg, ihre Erscheinungen zur Selbstauflösung zu treiben, die Leere herbeizuführen und auszuhalten und darin die Befreiung finden. Doch die hier zu sehenden Werke scheinen den diametral entgegengesetzten Weg zu gehen: sie kleiden die Leere ein (nicht aus!).

Ein durchaus kitschiges, naives oder im übelsten Fall zynisches Unterfangen, würde es nicht von emphatischer Zuneigung und ihren abstrusen Resultaten berichten: Da stehen (und springen) Menschen eingepackt in leere Geschenk-Kartons und ziehen einen Sternenregen nach sich; anderswo berichten verdrehte Vanitas Stilleben vom gesünderen Weiterleben. Das im Barock die Vergänglichkeit bekundende Objekt des Schädels ist hier ein Gebissabdruck mit einer Beissschiene, geschaffen zum Schutz der Zähne bei Nacht.

„Tendre est la nuit“ – könnte man hierin verwirklicht sehen, meinte es nicht ein wundervolles Album des französischen Musikers Jay Alanski. Wo Oliver Tepel an dieser Stelle eine Referenz erweist, welche sich im ausgestellten Cover der größtenteils von Alanski komponierten ersten Lio LP fortsetzt, findet Claus Richter in dieser Plattenhülle eine Fortsetzung der Idee der Verpackung. Was sein Beitrag zum Titel der Ausstellung: „Read more books“ nochmals akzentuiert: die Idee einer Fülle inmitten der scheinbar sinnentleerten Zeichen. Statt sich zu entsagen, etwas an- oder aufnehmen. Das Objekt und seine spezifische Form der Aneignung als eine Alternative zur fixen Erwartung, die unerwartete „version tendre“. Sie wurde vielleicht am besten vom Marquis de Sade in einem Gefängnisbrief an seine Marquise beschrieben: „So wahr ich Neigungen und Einfälle achte: so barock sie auch sein mögen, ich finde sie alle achtenswert, weil man nicht Herr über sie sein kann und weil der sonderbarste und sonderlichste von allen, wenn man es richtig betrachtet, immer auf das Prinzip des Zartgefühls zurückgeht.