Pressetext

7. April- 27. Mai 2017

 

Lieber Claus,

ich habe die Hamster gefüttert, ich hoffe, es geht Ihnen gut. Man sagt ja daß sie Vorräte anlegen, darauf muss ich nun hoffen. Ich bin zugegeben noch immer etwas verwirrt über Deinen hastigen Aufbruch von unserem gemeinsamen Kaffeetrinken und von der Bitte, mich doch um die beiden Nager zu kümmern, so lang Du fort seist. Lag es an dem Anruf, den Du bekommen hattest? Wie Du weisst, habe ich seitdem nichts mehr von Dir gehört. Auf Facebook hast Du gepostet, daß Du „eifrig an Robotern arbeitest“, bloß wo, wenn nicht in Deiner Wohnung? Aber gut, zumindest gibt es Dich wohl noch.
Ich habe die letzten Tage mit den Filmen verbracht, über die wir gesprochen hatten, bevor Du die Jacke anzogst und raus huschtest. Auf Deinem Laptop hab ich sie mir angesehen, im Bett sitzend. Irgendwie konnte ich die Einsamkeit dieser armen kleinen Roboter in diesem Turnbull Film nun wirklich ein wenig nachvollziehen, ja ich fühle mich gar ein bisschen wie sie. Sie pflegen die Pflanzen auf dem Raumschiff, ich fütter die Hamster. Nur, versteh mich nicht falsch, nichts gegen Deine Wohnung, aber die Roboter sind doch unentwegt umgeben von den Farben des Frühlings in ihrem interstellaren Gewächshaus und ich habe hier mehr und mehr das Gefühl, in einem blassen Grau zu versinken, selbst wo draussen die Vögel singen.
Ich sah auch „Das schwarze Loch“ und es hat mir nicht geholfen bei meinen Schlafstörungen, mein Rücken schmerzte zudem und manchmal hab ich einfach nur Nachts auf dem Boden gesessen. Einmal begann mitten in einer Nacht der Roomba unentwegt gegen die Wand beim Regal mit den Elektrobauteilen zu fahren, stundenlang. Er war nicht auszuschalten. Ich musste die Batterien rausnehmen, hab sie hier neben meinen Brief gelegt. Sag mal, hast Du eigentlich nur dieses Papier von der Galerie? Hab jetzt darauf ausgedruckt, weiss gar nicht, ob das ok ist.
Aber bitte, was ist denn schon ok? Ich meine Du lässt mich hier mit einer Aufgabe zurück und ich werde über die Tage fast irre. Wundere Dich nicht über diese Kaninchenköpfe, die jetzt da an der Tür hängen, ich hab sie in einem anderen Regal gefunden und sie waren mir neben dem Laptop echt die einzigen Begleiter hier, sie lächelten mir zu. Wirklich, ich komm mir schon ganz verdreht vor, wenn ich das nur schreibe, aber ich fühle mich langsam komplett dysfunktional, ja fast als lebte ich in einer anderen Welt. Warum bist Du los und wohin? Manchmal denke ich jetzt schon, es läge an mir. Hab ich was falsches gesagt? Lag es an dem Telefonat, mit, wie hiess er, Bär? Ehrlich, ich hab Dich nicht belauscht, aber daß es über irgendwelche „To Do“-Listen ging, hab ich schon mitbekommen. Musst Du ganz dringend was abarbeiten? Ich weiß, so Listen sind immer unangenehm, aber Claus, ich kann hier nicht ewig die Stellung halten!
Hab die Schlüssel von dem Nagel genommen und werde sie einstecken, wenn ich keine Antwort bekomme, schaue ich die Tage wieder rein. Wenn wenigstens der Brief dann nicht mehr hier liegt, bin ich beruhigter. Hoffe, es geht Dir gut!

Oliver