Anne Pöhlmann | Kurven

30. Oktober bis 14. Dezember 2013

 

Im Licht des Manipulators

Die Dunkelkammer verbarg einst alchemistische Geheimnisse, ein Bild wurde aus Nichts auf blassem Papier. Sein Entstehungsprozess war von vielen Unwägbarkeiten abhängig und das Resultat zeigte sich störrischer als eine Marmorskulptur. Dabei betonten Fotografen gerne, dass ihr Material nichts anders sei als reflektiertes und gefiltertes Licht. Das Immaterielle verwandelte sich binnen Sekundenbruchteilen ins Unabänderliche. Welch Zauber!

Licht bleibt auch heute die Quelle der Fotografie. Doch das subtile Hintergrundleuchten des Monitors erhellt, allen Motiven einen gewissen Jeff-Wall-Effekt verleihend, die einstige Dunkelheit der Bildwerdung. Buttons, Rasterflächen, Sättigungskurven, ein Meer digitaler Bedienelemente und Hilfestellungen, eine Realität, ebenso wenig greifbar wie das Licht, vermag auch noch das winzigste Bildelement im Sinne des Künstlers zu verwandeln. Vielleicht nennt sich der Künstler aber auch gar nicht so, sondern er oder sie erfüllt einen Auftrag, möglicherweise für eine Werbewelt, in der idealisierte Farben Träume schüren sollen. Träume in unseren Köpfen. Anne Pöhlmann verfolgt in ihren jüngsten Arbeiten nicht mehr den Weg des Lichts, zumindest nicht ihn allein, sondern sie versucht den Moment der bewussten Manipulation festzuhalten, ein extrem flüchtiger Moment, aus Wahrnehmung und Abgleich mit dem gespeicherten Bildwissen, den nicht mehr das Licht, sondern die Informationsverarbeitung in unseren Köpfen gestaltet. 1988 veröffentlichte David Robbins eine Serie von Interviews mit anderen Künstlern seiner Generation, Künstler, die sich längst der Macht medialer Bilder stellen mussten und bereit waren, mit ihnen zu spielen, hinter sie zu kriechen, vielleicht auch, um sie zu entlarven. Der Titel des Buchs: „The camera believes everything“.

Heute, nach der digitalen Entzauberung der Kamera (selbst wenn weiterhin Objektive, Verschlusszeiten und lichtempfindliche Sensoren einen enormen Einfluss auf das Bild haben) ist alle Aufmerksamkeit beim Betrachter. Doch glaubt der alles? Im Geiste von Guy Deutschers Thesen aus seinem Buch „Through the language glass“ fragt Anne Pöhlmann, was den Betrachter beeinflusst. Und sie findet das innere Bild. Deutscher nennt ein Kapitel „The Brain’s Photoshop“ – Tatsächlich manipuliert das Gehirn Bilder, bewertet sie anhand der Vorstellungen, wie ein Bild auszusehen hätte. So bearbeitet eine innere Korrekturfunktion Farbe oder Schärfe, was auch dazu führt, dass eine langsam ansteigende Sehschwäche oft erstaunlich lang nicht wahrgenommen wird. Denn man sieht weiterhin, was man erwartet zu sehen.

Gleichzeitig wird die Person am Rechner, der professionelle Bildmanipulator, zu einem Agenten der Bilder, er spielt mit dem Gehirn. In fünf großformatigen Tafeln und einer Serie Stoffbildern gestaltet Anne Pöhlmann Gesten der Bearbeitung in unklaren Szenarien. „Was sind es für Objekte?“, fragt das Gehirn. „Wie bekomme ich den Moiré-Effekt aus dem Bild“ fragt der Manipulator des Gehirns. Ein Spiel, in dem die derzeit rasant evolvierenden Aufnahme-, Software- und Druck-Techniken noch an Grenzen gelangen. Auch Spuren dieser Grenzen zeigt Anne Pöhlmann. Sie sind Zeugen wie zugleich auch die materialisierte Ästhetik unserer Anstrengungen zu sehen, was wir sehen wollen.

 

Oliver Tepel