24. Oktober bis 14. Dezember 2008

In der Musiktheorie bezeichnet der Begriff Kontrapunkt eine Technik, in der zu einer gegebenen Tonfolge eine Gegenstimme erdacht wird. Sie passt sich dem Tongefüge harmonisch an, folgt gleichwohl aber eigenen melodischen Regeln. Shila Khatami bedient sich einer ähnlichen Methode: Ihre Arbeiten verbinden Mittel der gestischen Abstraktion mit denen eines geometrischen Minimalismus. Das musikalische „Note gegen Note“ wird hier zum malerischen Ping Pong, die beiden Ansätze behaupten sich als Einzelnes und reagieren dabei aufeinander.

Die Arbeiten ihrer ersten Einzelausstellung in der Galerie Clages erzählen von jenem Wechselspiel. In der Mitte des Raumes lehnen zwei gelochte Holzplatten an der Wand. Durch die versetzte Aufstellung der Platten entsteht eine differenzierte Oberfläche: Die Öffnungen der Holzplatten überlagern sich, die von Farbnasen gezeichneten, hölzernen Innenseiten der Löcher irritieren durch einen weiteren Farbton, auch die durch die Öffnungen sichtbare weiße Wand wird in die Skulptur einbezogen. Beim Vorübergehen verwischen die Ebenen vollends: Dass das Muster eigentlich ein regelmäßiges ist, wird durch die changierenden Strukturen verschleiert. Die Interferenzen konterkarieren die strenge Rasterung der Platten. Das gleiche Prinzip wird auch bei den ausgestellten Leinwänden sichtbar: Shila Khatami konstruiert geometrische Formen mit rein malerischen Mitteln, die durch die expressive Farbigkeit und deutlich sichtbaren Spuren des bildnerischen Prozesses verzerrt werden.

Das Spiel mit den Gegenüberstellungen differierender Konzepte prägen das Werk der 1976 in Saarbrücken geborenen Künstlerin. In vielen Arbeiten nutzt sie industriell gefertigte, gelochte Hartfaserplatten als Schablonen für geometrische Muster, oft werden sie auch direkt als Bildträger verwendet. Durch die Überlagerung verschiedener Techniken des Farbauftrags, weich auslaufender Flächen, pastos aufgetragener Farbstreifen und streng definierter Formen und Linien lässt Shila Khatami vielfältige Texturen entstehen – und ergänzt diese immer wieder durch den Rhythmus der „Kontra-Punkte“. Die strukturierenden Elemente scheinen dabei fortlaufend von ihrer Auflösung bedroht – und dennoch entsteht dabei ein sorgsam austariertes Verhältnis von Konsonanzen und Dissonanzen.

 

Friederike Gratz