Claus Richter | Regen

07. September bis 19. Oktober 2013

 

Die dritte Einzelausstellung Claus Richters in der Galerie Clages steht unter dem Titel „Regen“.

Doch die zu erwartenden Regenbilder bleiben aus. Stattdessen ist die Galerie angefüllt mit Regalen voller Spielzeug, einzeln aus Holz gesägt und sauber aufgereiht.

Für Claus Richter steht Regen für den Beginn seiner künstlerischen Tätigkeit, vielleicht sogar für den Beginn der Kunst an sich. Trotzt man dem Regen nicht, so wie die auf der Einladungskarte abgebildete Kapelle, so zieht man sich in geschützte Räume zurück und sucht dort die Zeit zu nutzen. Je länger der Regen, desto naheliegender die Beschäftigung mit sich selbst. Hier, im Schutz der trockenen Behausung beginnt zwangsläufig irgendwann die Welt der Erzählung, des Spiels und des Erfindens. Die ersten menschlichen Zeichnungen findet man in Höhlen, wer weiß, ob es damals nicht geregnet hat..

Claus Richter ist für „Regen“ zurück an den Punkt gegangen, der bis heute seine Arbeit maßgeblich prägt. Das Basteln. So wie die Selbsthilfebücher, die oft in Richters Arbeit auftauchen, sind auch hier Bücher die Grundlage der Ausstellung. Wochenlang hat Richter unzählige „Regenbastelbücher“ gesammelt, angefangen bei alten Büchern des 19. Jahrhunderts bis hin zu Titeln der späten 1980er Jahre. Bücher wie „What to do on a rainy day“, „The Rainy Day Playbook“ oder „Hundreds of things to do on a rainy day“ übertreffen sich in einfachen Anleitungen zum Basteln von Figuren, Spielen, Häusern, Tierfiguren, Modellen, Masken, einfachen Maschinen und grotesken Späßen. In einer knapp zweiwöchigen Tour-de-Force hat Richter abgeschottet hinter fest verschlossenen Türen knapp 70 ausgesuchte Vorlagen aus diesen Büchern in Holz nachgebaut, eben so lange bis sechs Regale gefüllt waren. So finden sich an den Wänden der Galerie nun beispielsweise Schaukelpferde aus dem Jahr 1916, Piranha-Fische aus dem Jahr 1976 und Raketen aus dem Jahr 1952. Knapp ein Jahrhundert „Regenbasteln“ drängt sich nun dicht an dicht in offenen Regalen. Richter zitiert mit diesen Regalen, so absurd dies in Verbindung mit Basteleien erst einmal erscheinen mag, flämische Stillleben des 17. Jahrhunderts. Im florierenden Genre der Stilllebenmalerei entstand zu dieser Zeit eine Unterkategorie in der die vergänglichen Objekte nicht wie üblich auf Tischen oder Tüchern, sondern in Regalen liegend gemalt wurden. Diese Anordnung übernimmt Richter bewusst und gefriert so seine „geheime“ Zeit manisch versunkenen Bastelns in hölzerne Stillleben, Dokumente vergangener Zeit, deren Reihe theoretisch unendlich fortgesetzt werden könnte. Ein liegendes Reliefbild mit Bastelresten und einer Schere mit einem quasi im Flug erstarrten Papierdrachen sind der siebte Regentag.

Durch eine Folienarbeit wird das Schaufenster der Galerie zu einem pittoresken Rundfenster, Vorlage hierfür ist das Fenster aus Disney´s Filmversion von „Pinocchio“, hinter dem Gepetto, der Holzzschnitzer sein Spielzeug schnitzt. Tief versunken in die Arbeit ist er, so wie beispielsweise die von Richter sehr verehrte Figur des „Santa Claus“ (man beachte die Namensverwandtschaft), ein geradezu autistischer leicht spinnerter Eigenbrötler, ein Bastler im Gehäus. So sind Santa Claus in seinem „Workshop“ am Nordpol, Gepetto in seiner Werkstatt oder das bastelnde Kind auf dem heimischen Teppichboden Archetypen für Richters trotz aller Buntheit stets auch melancholische Suche nach der verlorenen Zeit. Im ebenfalls für die Ausstellung entstandenen „Ladenschild“ an der Fassade der Galerie sieht man einen solchen Bastler sitzen. Zugleich fröhlich und einsam, frei und angeleitet bastelt er im Regen-und Weltgeschützten Refugium beständig seine Modelle ideeller innerer Welten, solange es draußen regnet und die anderen keine Zeit haben.

 

Besonderer Dank für Hilfe und Unterstützung gilt Sven Stasik, Helga Szentpetery, der Imhoff-Stiftung Köln, Jutta Rohde und Moritz Wesseler.