05. September bis 17. Oktober 2015

 

Die jüngsten Arbeiten Anne Pöhlmanns zeigen auf Textil gedruckte Fotografien geometrischer Grundfiguren. Bei der Reihe der großformatigen Arbeiten liegen die Stoffbahnen, die mit sich seriell wiederholenden Motiven bedruckt sind, auf weiß grundierten Leinwänden auf. Doch die Leinwand ist hierbei weder Bildträger, noch bestimmen ihre Maße in letzter Konsequenz die Dimensionen der Arbeit. Denn zum einen ist es der Stoff, auf den die Bildmotive abgebildet sind, wogegen die Leinwand unbearbeitet bleibt. Zum anderen bedecken die bedruckten Bahnen nie die gesamte weiße Fläche, sondern sind derart drapiert, dass an der Längsseite und/oder am unteren Rand die Leinwand sichtbar ist. Lediglich an der oberen Leiste fixiert stehen die Stoffbahnen seitlich ab und fallen lose von der Leinwand herab, ragen teilweise auch über die abschließende Unterkante hinaus. Die vorgegebenen Grenzen der Leinwand werden so immer wieder konsequent ignoriert. Mit diesen leichten Verschiebungen unterläuft Pöhlmann auf subtile Weise die medialen Vorgaben bei gleichzeitiger Beibehaltung dieser. Anders als Frank Stella mit seinen Shaped Canvas-Malereien verändert Pöhlmann nämlich die klassische Leinwandform nicht. Doch auch ihre Arbeiten haben durchaus skulpturalen Charakter. Ihrer Funktion als traditionelle Bildträger beraubt, tritt die Objekthaftigkeit der Leinwände in den Vordergrund. Das Zusammentreffen des paradigmatischen Mediums der Malerei und des bedruckten Polyesterstoffes resultiert schließlich in einer Arbeit, welche die diversen Aspekte von Gemälde, Skulptur und der Fotografie in sich vereint.

Die abgebildeten Motive gehen auf Fotografien von industriell gefertigten Kunststofffiguren zurück, die Pöhlmann am Computer weiter bearbeitet und neu kombiniert hat. In einer Zeit, in der man ständig von Bildern umgeben ist, und es von jedem Ort und Objekt bereits unendlich viele Abbilder zu geben scheint, entscheidet sich Pöhlmann für basale Formen wie etwa Kuben, Zylinder, Sechsecke, um daran ihre Reflexionen über die Bedingungen der Fotografie zu entfalten. In einem längeren Arbeitsprozess werden Größe, Farbe und Arrangement der Bildelemente von Pöhlmann digital bestimmt und dann auf Flagmesh gedruckt. Das Material, das für gewöhnlich zum Bedrucken von Flaggen und Werbebannern verwendet wird, wird aufgrund seiner besonderen Struktur gerne im Außenbereich eingesetzt. Feine Löcher, die ursprünglich sowohl den Luftdruck auf die Banner oder Flaggen verringern, als auch ein schnelles Trocknen nach starken Regenfällen garantieren sollen, lassen aber auch Dahinterliegendes leicht hindurch scheinen. Diesen Effekt macht sich Pöhlmann insbesondere in einer weiteren Gruppe von Arbeiten zunutze.

Die drei kleineren Arbeiten in der Ausstellung bestehen aus je zwei unterschiedlich gefärbten Stofflagen, die leicht verschoben aufeinander gelegt sind. Im Bildzentrum ist jeweils eine andere geometrische Figur aufgedruckt, wobei die feinmaschige Struktur der Stoffbahnen bewirkt, dass sich die unterschiedlichen Motive überlagern. So wirkt beispielsweise der vorliegende Kreis wie ein Fenster, welches den Blick frei gibt auf das dahinter liegende Motiv. Das Hantieren auf mehreren Ebenen erinnert an die Arbeitsumgebung des digitalen Bildbearbeitungsprogamms ‚Photoshop’. Wie das Format der Leinwände stellen die von der Software bereit gestellten Handlungsoptionen Einschränkungen dar, die man nicht so leicht umgehen kann. Pöhlmann überführt nun diesen, während des digitalen Bearbeitungsprozesses im virtuellen Raum deutlich werdenden Moment, in den analogen Realraum. Durch die spezielle Oberflächenstruktur des Trägermaterials werden noch zwei weitere aus der digitalen Bildbearbeitung bekannte Effekte verstärkt: die den Bildern immanente Rasterung und der Moiré-Effekt. In Pöhlmanns Arbeiten werden diese Effekte nicht mehr als Restriktion oder Manko wahrgenommenen, sondern sind ästhetisches Konzept.

JK